Donnerstag, 11. März 2010

Ein Anektötchen

Gedanken zu Andreas Unterbergers Artikel "Wenn der triste Alltag die alte Liebe einholt - Auf nur wenige Dinge bin ich in meinem beruflichen Leben wirklich stolz. Dazu gehört jedenfalls die Tatsache, dass ich als erster politischer Journalist Österreichs schon Beginn der 80er Jahre für einen Vollbeitritt zur Europäischen Union – die damals noch EG geheißen hat – eingetreten bin."
http://www.andreas-unterberger.at/2010/02/wenn-der-triste-alltag-die-alte-liebe-einholt/

Vor ein paar Monaten saß ich im fernen Washington mit einem jungen Mann aus Polen bei einem Weltverbesserungsbierchen beisammen. Er war dort als Repräsentant des bösen neoliberalen Globalization Institute, ich zur Vertiefung meiner bösen liberal-konservativen Weltanschauung. Wir kommen also aus der gleichen philosophischen Ecke und natürlich musste ich ihn nach meinem Lieblingsthema, der Europäischen Union, fragen. Er mag die EU nicht. Ich muss gestehen, ich habe ihn ein wenig unterschätzt und die klassischen Kronenzeitungsleser-Argumente erwartet. Ich halte ihm also meinen klassischen Vortrag als begeisterter, absolut unverbesserlicher Europäer. Die Liste der Freiheiten und Annehmlichkeiten, die wir Dank der EU genießen, ist lang, länger als die der zweifelhaften Vorteile nationalstaatlicher Eigenbrötlerei (ich weiß, wovon ich spreche, ich habe zehn Jahre in der Schweiz gelebt).

Aber dann wurde es spannend. Die Gegenargumente meines polnischen Freundes kann man nämlich nicht in der Krone sondern bei Herrn Unterberger nachlesen. Daraus ergeben sich zwei traurige Erkenntnisse: 1. Es passiert leider nur sehr selten, dass die EU auf diesem Niveau diskutiert wird. Und 2. die beiden Herrschaften haben absolut recht. Einzig würde ich bei Herrn Unterbergers Ausführungen anmerken, dass seine Einschätzung „die Europäer [hätten] nur eine Geschichte, in der sie sich gegenseitig bekämpft haben“ , mir doch ein wenig arg zynisch erscheint. Ich wohne in Wien am Sobieski-Platz, mein polnischer Gesprächspartner hat einen deutschen Nachnamen. (Zur Frage der gemeinsamen Europäischen Geschichte empfehle wärmstens Matthias von Hellfelds Buch „Wir Europäer: der schwierige Weg zu Freiheit und Demokratie“, gibt’s auch auf DVD.)

Was die zweifellos richtig diagnostizierten Fehlwicklungen in Brüssel betrifft, eine Frage: gibt es nicht auch einige dramatische Fehlentwicklungen in Wien? (Oder in Warschau?) Gibt es nicht auch in Wien selbsternannte, regulierungswütige Eliten, die mir einreden wollen, wie ich zu leben und was ich zu denken habe? Oder Institutionen, die in nichts effizient sind, außer in der Verschwendung von Steuergeld? Oder sonstige Einrichtungen, die sich schon sehr weit von ihrem einstigen Zweck entfernt haben? Und in wie fern können Sie und ich, die Bürger dieses Landes darauf Einfluss nehmen?

Was sollen mein polnischer Freund und ich jetzt machen? In Amerika bleiben? Keine gute Idee, das Essen ist scheußlich und für die persönliche Freiheit schaut’s da auch streckenweise düster aus. Denn da wie dort und in jeder Demokratie der Welt gelten Ronald Reagans mahnende Worte „Freedom is never more than one generation away from extinction”; oder spezifischer für unser Thema, die EU ist nie mehr als eine Generation entfernt vom Scheitern. Der Pole und ich waren uns am Schluss einig, die EU ist das faszinierende Projekt „Mehr Wohlstand und Sicherheit für alle Europäer durch mehr Raum für den Markt“ (um nochmal Herr Unterberger zu paraphrasieren). Nur müssen wir auch was dafür tun und dürfen das Feld nicht den „bürgerfernen Gesellschaftsveränderern und fanatischen Überregulierern“ (A.U.) überlassen. Wie? Fangen wir mal klein an. Wer geht mit mir auf ein Weltverbessererungsbierchen?

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