Dienstag, 23. März 2010

Der „österreichische“ Medikus

Aus Krisen werden Helden geboren (oder was wir dafür halten). Vor allem die USA haben einen großen Drang zu Helden. Für die einen ist es Barak Obama. Aber auch die andere Reichshälfte hat ihren Revoluzzer. Ron Paul. Er ist nicht ganz so fesch, nicht ganz so jung, nicht ganz so eloquent. Seine Ideen wirken ebenso undenkbar und undurchsetzbar wie eine Gesundheitsreform bis vor kurzem noch gewirkt haben mag (auf manche). Bemerkenswert sind sie trotzdem.

Oberflächlich betrachtet erfüllt der Kongressabgeordnete Ron Paul alle Kriterien eines klassischen amerikanischen Konservativen: er ist gegen Abtreibung, gegen gleichgeschlechtliche Ehe, für das Recht, Waffen zu tragen und niedrige Steuern. Soweit so unspektakulär. Er war aber auch einer der schärfsten Kritiker von George Bush. Er war gegen die Einschränkungen der persönlichen Freiheit, die nach dem 11. September beschlossen wurden (PATRIOT Act) und er ist gegen die zahlreichen Auslandsabenteuer der Freiheits – und Demokratieverbreitungsarmee. (Das war Bush auch mal, aber das ist schon lange her.)

Am spannendsten sind aber seine ökonomischen Ansätze. Der Arzt aus Texas ist in den über dreißig Jahren seiner politischen Laufbahn nicht müde geworden, immer wieder höflich darauf hinzuweisen, dass wir voll Kraft voraus auf den großen wirtschaftlichen Kollaps zusteuern. Doch der Kassandra der amerikanischen Hauptstadt war es nicht vergönnt, Glauben zu schenken. Stattdessen verabschiedeten ihre Freunde „am Hügel“ ein Gesetz nach dem anderen, das hölzerne Pferde erblühen und vermehren ließ; nennen wir sie liebevoll Fannie und Freddie. Kassandra warnte vor dem aus allen Fugen geratenen Budgetdefizit, ihre Rufe verhallten in den Marmorgängen des Kapitols. Sie kritisierte die Fiskalpolitik der Zentralbank (FED), die mit zu niedrigen Zinsen motivierte, Geld auszugeben, das keiner hat. Und sie wurde dafür als Rassist beschimpft. Propheten haben’s schwer. Jedenfalls als den Amerikanern langsam dämmerte, in welchen Schlamassel sie sich reingeritten hatten, kamen einige von ihnen auf die schlaue Idee, den Onkel Doktor mal zu fragen, woher er denn das alles wusste. Nun, er hat nebst Medizin zum Privatvergnügen auch eifrig die Werke der österreichischen Schule der Nationalökonomie studiert. Dort hat er gelesen, dass zu große staatliche Eingriffe immer die Einschränkung in der persönlichen Freiheit bedeuten. Dass zu große staatliche Eingriffe zu künstlichen wirtschaftlichen Blasen jenseits des freien Marktes führen und dass es einen ziemlich lauten Knall gibt, wenn diese platzen. Und dass zu große staatliche Eingriffe, die in aller Regel über Budgetdefizite – sagen wir mal – vorfinanziert werden, uns eher heute als morgen auf den Kopf fallen werden, weil sie die Währung destabilisieren.
Kommt mir irgendwie bekannt vor. Vielleicht sollten auch wir Europäer dem Rat des Doktors folgen und mal in der philosophischen Mottenkiste kramen.

Und Ron Paul? Er wird weiter die Werbetrommel für den freien Markt rühren, vielleicht auch pro forma 2012 für die Präsidentschaft kandidieren. Dann geht er schon auf die achtzig zu. Als Revolutionsführer ist er dann wohl schon zu alt. Aber wer weiß, vielleicht finden Amerikas „Österreicher“ ja wieder einen erfolglosen Schauspieler als Galionsfigur.

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