Donnerstag, 21. Januar 2010

Obama und die Tee Gesellschaft

Jahrestag Nummer 1 für die Obama-Administration, die Republikaner jubeln und der Europäer wundert sich.

Barack Obama hat bei den Wahlen vor einem Jahr einen großen Sieg errungen, keinen überwältigenden à la Johnson 1964 oder Reagan 1980 und ´84, aber im Fahrwasser der Obamamania übernahmen die Demokraten die volle Kontrolle über beide Häuser des Kongresses. Die Europäer haben dem neuen Anti-Bush für seine außenpolitischen Bemühungen auch gleich den Friedensnobelpreis hinterher geworfen. Und jetzt das. Im liberalsten aller möglichen Staaten, in Massachusetts, gewinnt ein völlig unbekannter Republikaner den Senatorensessel, den seit 1953 die Kennedys für sich gepachtet haben. Wir sehen Konservative am Rednerpult gegen eine Gesundheitsvorsorge wettern, die wir Europäer für selbstverständlich - ja, fast für ein Menschenrecht halten. Die Leute jubeln. Wir sehen aufgebrachte Demonstranten auf sogenannten Tea Partys mit Schildern bewaffnet, die das Gesicht Obamas mit einem Hitler-Bärtchen zieren. In den Souvenirläden gibt es schon mehr Anti- als Pro-Obama-Shirts. Und der Europäer steht verdattert daneben und fragt sich, was zu Kuckuck ist jetzt schon wieder mit diesen Amerikanern los!

Ein Blick in die jüngere Vergangenheit beweist, dass außenpolitischen Erfolgen bzw. historischen Reden ist in den Staaten kein Blumentopf zu gewinnen. Es verzückt zwar die Ostküsten-Intelligenzia, wenn’s die auch gibt, sie sind aber im Grunde herzlich wurscht. Alles was Herrn und Frau Amerikaner momentan interessiert, ist die Gesundheitsreform. Und eigentlich geht’s auch gar nicht so sehr um Gesundheit als um „State’s Rights“, die große Frage, welche Aufgaben die Regierung in Washington und welche die einzelnen Bundesstaaten haben sollen. Und plötzlich versteht auch der kleine Europäer die ganze Aufregung. Man denke nur, was hierzulande eine umweltfreundliche gesamteuropäische Glühbirne auslösen kann. Bei den Amis geht’s jetzt aber nicht um ungemütliche Beleuchtung, sondern – dramatisch ausgedrückt – um Leib und Leben. Das Reformgespenst, das seit geraumer Zeit durch die amerikanische Öffentlichkeit geistert, prophezeit jahrelange Wartezeiten auf lebenswichtige Operationen, tote Omas und das Ende des persönlichen Arzt-Patienten-Verhältnisses. Ganz schön gruselig. Darüber hinaus soll das ganze knapp acht Mal so viel kosten, wie der Marshall-Plan, mit dem die USA den Wiederaufbau Europas nach dem Krieg gesponsert haben. Aber wen jucken schon die zusätzlichen 900 Milliarden $ für Gesundheit, wenn man bedenkt, dass der amerikanische Steuerzahler in den letzten 16 Monaten über 4 Billionen $ – also 4.000.000.000.000 – für Bail-outs, Stimulus Package, etc. ausgegeben hat? Bei der höchsten Arbeitslosigkeit seit der großen Depression Ende der 1930er juckt es das amerikanische Volk ganz gewaltig.

Im November stehen die nächsten großen Kongresswahlen an, die Republikaner werden jubeln, vielleicht auch in drei Jahren, wenn Obama sich der Wiederwahl stellt. Wundern werde ich mich jedenfalls nicht.

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